Auszüge aus der Rede von Frau Dr. Andrea Fink anlässlich der Ausstellungseröffnung „ analogien“ im Museum Abtei Liesborn am 13.September 2015
Die Hauptarbeit der Ausstellung „analogien“ von Susanne Nahrath ist die Installation „wintergarden by the lake- montgomery for one night“. Sie lädt uns dazu ein, selbst Teil des Kunstwerkes zu werden. Die Besucher und Besucherinnen sind eingeladen sich auf den Jens Risom Sessel zu setzen und aus dem Fenster der architektonischen Andeutung zu schauen. Betrachterinnen und Betrachter sind Teil des Kunstwerks. Das Thema von Innen- und Außenraum die Unterscheidung und gleichzeitig die Aufhebung dieser Unterscheidung stehen im Mittelpunkt dieser Arbeit. Somit gilt das hauptsächliche künstlerische Interesse der Künstlerin und Architektin Susanne Nahrath der vielschichtigen Beziehung zwischen Innen- und Außenraum.
Einerseits wird diese Aufhebung durch die gläsernen Steine thematisiert. Zudem installiert die Künstlerin in den Ausblick der Architekturandeutung Fotografien, die ebenfalls Innen- und Außenraumsichten zum Thema haben. Hier eröffnet sich der hochspannende Prozess der eigenen Wahrnehmung. Dieser ist gleichermaßen vom eigenen realen Standpunkt als auch von der inneren Einstellung abhängig.
Sehr bewusst regt uns die Künstlerin mit ihren Fotografien zur Reflektion über unseren eigenen Standpunkt an: ist die Blickrichtung nach Außen gerichtet, schauen wir in eine Landschaft oder schauen wir in einen Innenraum.
Unsere Blickrichtung bedingt, wie wir die Welt wahrnehmen. Unser eigener Standpunkt ist Ausgangspunkt für die Wahrnehmung der Welt. Umso wichtiger ist es somit, diesen, den eigenen, Standpunkt bewusst wahrzunehmen und ihn dann in der Folge auch einzunehmen oder vielleicht, noch interessanter, ihn von Zeit zu Zeit auch einmal zu verändern.
In der Kunst von Susanne Nahrath wird der Mensch thematisiert, wird sichtbar. Diese Menschen sind manchmal in ganz persönlicher Form gegenwärtig durch ihre Unterschrift, wie beispielsweise in dem Werk „Schneewittchen“ aus dem Jahr 2008. Öfter auch durch ihr Abbild, wie in der Fotoarbeit „zu einem Streit gehören immer Zwei! Dein Bruder Carl-Hienz“,aus dem Jahr 2002, in der zwei schlafende Freunde der Künstlerin zu sehen sind. Manchmal geht es um eher flüchtige Begegnungen von Menschen, die die Künstlerin vielleicht gar nicht persönlich gekannt hat, Reisefotos, anonym gebliebene Menschen. Daneben existieren Familienfotos. All diese Fotos erzählen Geschichten. Die Fotoarbeiten von Suanne Nahrath sind Stellungnahmen über die Geschichten der Menschen, die dort in Form von Momentaufnahmen über ihr Leben Auskunft geben. Manchmal berühren sie uns so sehr, da sie mit ihrer Geschichte auch einen Teil unserer eigenen Geschichte erzählen. Manchmal spiegeln uns diese Fotoarbeiten aber auch etwas ganz Fremdes und laden damit zu Umdenken ein, zum Wechsel der eigenen Position, des eigenen Standpunktes.
Meist sind es Momentaufnahmen, kurze Begegnungen, die die Künstlerin in ihren Fotoarbeiten festhält. Es sind , ähnlich den Durchblicken aus dem Fenster in der angedeuteten Architektur, Ausschnitte des Lebens. Auch in den Fotoarbeiten geht es lediglich um einen Ausschnitt des Lebens. Zahlreiche Werke Susanne Nahraths zeigen Momentaufnahmen des Lebens – nur, Ausschnitte, Einblicke, Durchblicke gilt es zu erhaschen - Ausschnitte aus dem Leben, ein Ausschnitt des Lebens, eine Möglichkeit des Lebens wird dargestellt. Vielleicht unterlegt mit der Musik von James Taylor.
Neben der Architektur und der Fotografie spielt auch das Medium Schrift eine wichtige Rolle. In der Arbeit „Heimat“ zeigt Susanne Nahrath eine Flugzeugbox, aus deren Hülle das Wort „Heimat“ in die in verschiedenen Sprachen herausgeflext wurde. Eine Arbeit, die momentan kaum aktueller seien könnte. Zehntausende Menschen verlassen ihre Heimat ohne zu wissen, ob und wo sie ankommen, ob und wo sie eine neue Heimat finden.
Schriftzüge verweisen aber nicht nur auf Aktuelles, sondern vielmehr auf Vergangenes, auf Geschichte, auf Geschichten. So erinnert die Arbeit „in Osten sind die Wolken von gelber Farbe“ an die grauenhafte nukleare Katastrophe in Fukushima. Geschichtliches und immer wieder Aktuelles thematisiert die Installation „Tafelsilber“ aus dem Jahr 2008. Hier berührt die Künstlerin gesellschaftskritische Aspekte. Diese gesellschafts-kritischen Töne werden hier aber mitnichten einfach nur platt ausgesagt, wie dies in den Nachrichten als lineare Information funktioniert. Vielmehr entwickelt und verarbeitet die Künstlerin die Information in eine, konzeptionell künstlerischen Form.
Vor dieser gilt es dann in der Rezeption ebenso Stellung zu beziehen, wie dies die Künstlerin dies bereits in ihrer konzeptuellen Vorarbeit geleistet hat. In der Betrachtung dieser Kunst sind Betrachterinnen und Betrachter dazu aufgerufen, eine eigene Beziehung einzunehmen, eine die sich jenseits des Nachrichtengeschehens im Fernsehen, auf Facebook oder Twitter zu positionieren wagt. In dieser Kunst bietet sich ein Freiraum der selbstständigen Beschäftigung mit unterschiedlichsten Themen.
Wichtig erscheint mir, dass die Künstlerin genau das Beziehen des eigenen Standpunktes, das Reflektieren über den eigenen Standpunkt zum Thema ihrer künstlerischen Auseinandersetzung erkoren hat.
Dr. Andrea Fink
Kunsthistorikerin und Kuratorin
Auszüge aus der Rede von Frau Dr. Andrea Brockmann anlässlich der Ausstellungseröffnung „Im Dialog“ in der Ahlener Stadtgalerie am 12. April 2008
(……………..)
In Ihren konzeptuellen Arbeiten beschäftigt sich Susanne Nahrath zum einen mit Foto-Text-Kombinationen, in denen sie die Zeichenfunktion von Fotografien mit der Zeichenbedeutung von Text verbindet, zum anderen entstehen durch eine partielle Ausleuchtung und Thematisierung von Vergangenheit Skulpturen und Installationen, die wie Erinnerungsräume, Erinnerungsorte angelegt sind, die wie ein Individuum oder eine Gruppe zur Konstruktion von Sinn, zur Fundierung ihrer Identität, zur Orientierung ihres Lebens, zur Motivation ihres Handelns brauchen. Dahinter verbirgt sich auch die Erkenntnis, dass der Mensch nur aus dem schöpfen kann, was in ihm angelegt ist: dem biographischen wie genetischen Fundus, der Tradition ebenso wie dem Familiengedächtnis, der Familiengeschichte, auf die wir uns alle gründen, ob wir dazu stehen oder nicht. Susanne Nahrath steht dazu.
In Ahlen geboren absolvierte sie zunächst ein Architekturstudium und gründete ein Architekturbüro, bevor sie zwischen 2001 und 2004 Freie Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf bei Magdalena Jetelová studierte. In Ahlen bezog sie als Künstlerin, als Mitglied der Familie Nahrath mit einer Kunstaktion im öffentlichen Raum eindeutig Position, als es um die Rettung der Gebäudesubstanz der ehemaligen Stanz- und Emaillierwerke ging.
Zur viel beachteten Industriekultur zählend gehört das Gelände der Firma Nahrath, die seit 1991 nicht mehr produziert, heute jedoch zu jenen „lost areas“, die nicht nur ihre Funktion, sondern auch ihre Bedeutung verloren haben. Hier ist die Geschichte nicht weitergegangen, sondern mehr oder weniger abrupt abgebrochen. Die abgebrochene Geschichte materialisiert sich in Bauruinen und Relikten, die sich als fremde Überreste von der Umgebung abheben. Das Abgebrochene ist in Überresten erstarrt und steht beziehungslos zum öffentlichen Leben der Gegenwart, das nicht nur weiter-, sondern auch über diese Reste auch mehr oder weniger achtlos hinweggegangen ist. Um dennoch fortbestehen und weiterleben zu können, muss eine Geschichte erzählt werden, die das Verlorene supplementär ergänzt. Und diese Geschichte erzählt Susanne Nahrath mit der Sprache ihrer Kunst, in dem sie Spuren, Reste, Relikte, Sedimente einer vergangenen Zeit, die zwar noch da sind, aber (vorübergehend) bedeutungslos, unsichtbar geworden sind, imaginativ wiederbelebt. Hier in der Ausstellung in Form der Raumskulptur „sie steht“, eine Art „Erinnerungsmauer“ aus selbst angefertigten Plexiglassteinen, die an Legosteine erinnern, eingearbeitet s/w-Abbildungen von Familienangehörigen, wie den Urgroßeltern, die 1907 die Firma gründeten, und von jenen Menschen, die sich in den vergangenen Jahren für den Erhalt der Firmengebäude engagiert haben. Dank ihres Engagement „steht sie“ – noch. Steine also als Bezug auf die Fragmente der Vergangenheit, die es wieder zusammenzusetzen gilt, aber in ihrer Transparenz auch als Verweis auf die Tiefe und Erfahrungen von Hintergrund, Sedimentierung und Schichtung des Bewusstseins. Aus dieser Schichtungsstruktur erklärt sich obendrein die Wichtigkeit des Kulturschutts und Abfalls der Geschichte für die Kunst, jenes „Tafelsilber“, das ganz zum Schluss verscherbelt wird.
Struktur und Konsistenz von Erinnerung ist wesentlich von der Materialität ihrer Gedächtnismedien bestimmt. Schrift galt lange Zeit als Medium, um Vergangenes raum- und zeitübergreifend verlustlos zu konservieren. Und auch Susanne Nahrath konserviert die Schrift: in zwei Plexiglaskästen bewahrt sie in Form von Neonlichtschleifen Originalunterschriften, den individuellen Schriftzug zweier verstorbener Menschen, der nicht nur Beweis ihrer Existenz darstellt, sondern unsere Unterschrift ist auch Ausweis unseres Ichs, zwar nicht fälschungssicher, doch wir beglaubigen mit unserer Unterschrift, dass wir dabei gewesen, dass wir auf dieser Welt gewesen sind, auch wenn wir irgendwann einmal der Vergangenheit angehören.
Vom Erinnern ist das Vergessen, das Verschwinden nicht abzulösen. Diese konsequente Verbindung von Erinnerung und Vergessen zeigt die Installation „Stuhltanz“. Auf einem Plateau stehen 5 ganze Stühle und ein halber. Das Gesellschaftsspiel „Reise nach Jerusalem“ wird angedeutet: wir laufen um den Stuhlkreis, in der Hoffnung einen der freien Stühle zu ergattern, unseren Platz im Leben zu finden, bevor der Stuhl bzw. wir selbst oder die Erinnerung an uns, symbolisch in einem abseits stehenden Torso erfasst, verschwinden. Das Licht unterstreicht dabei noch den Bewegungsgestus, das Verflüchtigen, das Ephemere. Wie lange wird sich das Gedächtnis noch behaupten in unserer Welt der Zerstreuungen, die sich immer schneller um den Stuhlkreis dreht? Gegen elektronische Medien und ihre Zerstreuungspotentiale kann kein Gedächtnis bestehen. Die Bildkaskaden der audiovisuellen Medien erheben kaum noch Anspruch auf aktives Erinnern, sondern zur Gedächtnispolitik der kommerzialisierten Kommunikation gehört es, dass die Bilder auf vergessensintensive Serialität angelegt sind, nicht auf bewertendes Erinnern, das einen Riss im Informationskontinuum voraussetzt.
Jenen Riss führt Susanne Nahrath jedoch bewusst herbei, in dem sie Bilder, Familienporträts, private Fotos in einem digitalen Rahmen ablaufen lässt, die eben kein Kontinuum darstellen, sondern Brüche, Zäsuren, Einschnitte, die dem Strom des Geschehen als Falten, Höhen, Tiefen, Schichtungen entgegenstehen und Möglichkeiten für Aufschub, Resonanz, Wiederholung, Wiederanknüpfung, Erneuerung und Erinnerung bilden.
(…)
In Ihren konzeptuellen Arbeiten beschäftigt sich Susanne Nahrath zum einen mit Foto-Text-Kombinationen, in denen sie die Zeichenfunktion von Fotografien mit der Zeichenbedeutung von Text verbindet, zum anderen entstehen durch eine partielle Ausleuchtung und Thematisierung von Vergangenheit Skulpturen und Installationen, die wie Erinnerungsräume, Erinnerungsorte angelegt sind, die wie ein Individuum oder eine Gruppe zur Konstruktion von Sinn, zur Fundierung ihrer Identität, zur Orientierung ihres Lebens, zur Motivation ihres Handelns brauchen. Dahinter verbirgt sich auch die Erkenntnis, dass der Mensch nur aus dem schöpfen kann, was in ihm angelegt ist: dem biographischen wie genetischen Fundus, der Tradition ebenso wie dem Familiengedächtnis, der Familiengeschichte, auf die wir uns alle gründen, ob wir dazu stehen oder nicht. Susanne Nahrath steht dazu.
In Ahlen geboren absolvierte sie zunächst ein Architekturstudium und gründete ein Architekturbüro, bevor sie zwischen 2001 und 2004 Freie Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf bei Magdalena Jetelová studierte. In Ahlen bezog sie als Künstlerin, als Mitglied der Familie Nahrath mit einer Kunstaktion im öffentlichen Raum eindeutig Position, als es um die Rettung der Gebäudesubstanz der ehemaligen Stanz- und Emaillierwerke ging.
Zur viel beachteten Industriekultur zählend gehört das Gelände der Firma Nahrath, die seit 1991 nicht mehr produziert, heute jedoch zu jenen „lost areas“, die nicht nur ihre Funktion, sondern auch ihre Bedeutung verloren haben. Hier ist die Geschichte nicht weitergegangen, sondern mehr oder weniger abrupt abgebrochen. Die abgebrochene Geschichte materialisiert sich in Bauruinen und Relikten, die sich als fremde Überreste von der Umgebung abheben. Das Abgebrochene ist in Überresten erstarrt und steht beziehungslos zum öffentlichen Leben der Gegenwart, das nicht nur weiter-, sondern auch über diese Reste auch mehr oder weniger achtlos hinweggegangen ist. Um dennoch fortbestehen und weiterleben zu können, muss eine Geschichte erzählt werden, die das Verlorene supplementär ergänzt. Und diese Geschichte erzählt Susanne Nahrath mit der Sprache ihrer Kunst, in dem sie Spuren, Reste, Relikte, Sedimente einer vergangenen Zeit, die zwar noch da sind, aber (vorübergehend) bedeutungslos, unsichtbar geworden sind, imaginativ wiederbelebt. Hier in der Ausstellung in Form der Raumskulptur „sie steht“, eine Art „Erinnerungsmauer“ aus selbst angefertigten Plexiglassteinen, die an Legosteine erinnern, eingearbeitet s/w-Abbildungen von Familienangehörigen, wie den Urgroßeltern, die 1907 die Firma gründeten, und von jenen Menschen, die sich in den vergangenen Jahren für den Erhalt der Firmengebäude engagiert haben. Dank ihres Engagement „steht sie“ – noch. Steine also als Bezug auf die Fragmente der Vergangenheit, die es wieder zusammenzusetzen gilt, aber in ihrer Transparenz auch als Verweis auf die Tiefe und Erfahrungen von Hintergrund, Sedimentierung und Schichtung des Bewusstseins. Aus dieser Schichtungsstruktur erklärt sich obendrein die Wichtigkeit des Kulturschutts und Abfalls der Geschichte für die Kunst, jenes „Tafelsilber“, das ganz zum Schluss verscherbelt wird.
Struktur und Konsistenz von Erinnerung ist wesentlich von der Materialität ihrer Gedächtnismedien bestimmt. Schrift galt lange Zeit als Medium, um Vergangenes raum- und zeitübergreifend verlustlos zu konservieren. Und auch Susanne Nahrath konserviert die Schrift: in zwei Plexiglaskästen bewahrt sie in Form von Neonlichtschleifen Originalunterschriften, den individuellen Schriftzug zweier verstorbener Menschen, der nicht nur Beweis ihrer Existenz darstellt, sondern unsere Unterschrift ist auch Ausweis unseres Ichs, zwar nicht fälschungssicher, doch wir beglaubigen mit unserer Unterschrift, dass wir dabei gewesen, dass wir auf dieser Welt gewesen sind, auch wenn wir irgendwann einmal der Vergangenheit angehören.
Vom Erinnern ist das Vergessen, das Verschwinden nicht abzulösen. Diese konsequente Verbindung von Erinnerung und Vergessen zeigt die Installation „Stuhltanz“. Auf einem Plateau stehen 5 ganze Stühle und ein halber. Das Gesellschaftsspiel „Reise nach Jerusalem“ wird angedeutet: wir laufen um den Stuhlkreis, in der Hoffnung einen der freien Stühle zu ergattern, unseren Platz im Leben zu finden, bevor der Stuhl bzw. wir selbst oder die Erinnerung an uns, symbolisch in einem abseits stehenden Torso erfasst, verschwinden. Das Licht unterstreicht dabei noch den Bewegungsgestus, das Verflüchtigen, das Ephemere. Wie lange wird sich das Gedächtnis noch behaupten in unserer Welt der Zerstreuungen, die sich immer schneller um den Stuhlkreis dreht? Gegen elektronische Medien und ihre Zerstreuungspotentiale kann kein Gedächtnis bestehen. Die Bildkaskaden der audiovisuellen Medien erheben kaum noch Anspruch auf aktives Erinnern, sondern zur Gedächtnispolitik der kommerzialisierten Kommunikation gehört es, dass die Bilder auf vergessensintensive Serialität angelegt sind, nicht auf bewertendes Erinnern, das einen Riss im Informationskontinuum voraussetzt.
Jenen Riss führt Susanne Nahrath jedoch bewusst herbei, in dem sie Bilder, Familienporträts, private Fotos in einem digitalen Rahmen ablaufen lässt, die eben kein Kontinuum darstellen, sondern Brüche, Zäsuren, Einschnitte, die dem Strom des Geschehen als Falten, Höhen, Tiefen, Schichtungen entgegenstehen und Möglichkeiten für Aufschub, Resonanz, Wiederholung, Wiederanknüpfung, Erneuerung und Erinnerung bilden.
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Excerpts of a speech by Dr. Andrea Brockmann on the occasion of the opening of the exhibition “Im Dialog” at the Ahlener Stadtgallerie on the 12th of April, 2008
“…. In her conceptual work, Susanne Nahrath deals on the one hand with photography-text combinations, within which she merges the pictorial function of photography with the pictorial significance of writing. Through partially illuminating and broaching the theme of the past, sculptures and installations are created that are constructed as places of remembrance. Such places are necessary for individuals and groups in the construction of meaning, in laying the foundations of identity, in orienting their lives, and motivating their actions. Underneath lies the insight that humans can only draw from what is stored inside of them: the biographic and genetic pool, tradition and memory of the family, the history of a family. These are our foundations, whether one accepts and stands by them or not. Susanne Narhath stands by them.
Born in Ahlen, she first successfully completed her architectural studies and opened an architect’s office, before studying Liberal Arts at the Kunstakademie Duesseldorf under the tutelage of Magdalena Jetelova between 2001 and 2004. She unambiguously positioned herself during the debate on the preservation of the building stock of former stamp- and enamelling works that went on in Ahlen at the time.
The company grounds of the Company Nahrath, which no longer produces and today is one of those lost areas which not only forfeit their function but also their significance, is part of a widely known industrial culture. History did not go on here, but was more or less abruptly cut off. This “broken off” history manifests itself in the ruins and relicts that set themselves apart as alien remnants from their surroundings. Discontinuation is frozen in remainders and stands in no relation to the present public life. This public life not only moved on, but also over these remnants more or less heedlessly. To nevertheless be able to persist and live one, a story must be told which can supplement and replenish what has been lost. And his is the story told by Susanne Nahrath. A story told in the language of her art in which the traces, relicts, and sediments of times past – which are physically still present, but are (temporarily) without meaning or significance, invisible – are resurrected in imagination. Here, in this exhibition, taking the form of the installation “sie steht” (“it stands”) – a kind of “remembrance wall” made from self-made from Plexiglas stones akin to large Lego blocks-xxThanks to this installation, it still stands.
Stones as reference to the fragments of the past, to be reassembled, but in their transparency also a pointer to the depth and experience of background, sedimentation, and stratification of consciousness. This stratification additionally asserts the importance of the debris of culture and the detritus of history for art – that “silverware” that is flogged at the very end.
Structure and consistency of memory are essentially defined by the materiality of the mnemonic media. Writing was for a long time regarded as the primary medium with which to preserve the past both cross-temporally and cross-spatially without loss. And Susanne Nahrath, too, conserves in Writing: in two Plexiglas boxes in form of looped neon light lines original signatures of two deceased. These signatures not only are proof of their existence, but our signature is also a badge of our “I”. Not totally resistant to forgery, of course, but we affirm with our signature that we were there, that we have existed in this world, even when one day we shall be relegated to the past. Remembrance cannot be detached from forgetting, disappearing. This consistent link between remembrance and forgetting is shown in the piece “Stuhltanz”. Five and a half chairs are stood on a plateau. Insinuated is the game “musical chairs”: we run in circles in the hope of fetching one of the vacant chairs, a place in our lives, before the chair or respectively ourselves and the memories of us fade away. The half-torso standing of to the side symbolically captures these memories. The light underscores the Gestus of movement, the volatilisation, the ephemeral. How long will memory prevail in this world of always increasing diffusion, spinning ever faster around the circle of chairs? No memory can prevail against the electronic media and their diffusive powers. The picture cascades of the audio-visual media hardly require active remembering. Part of the memory policy of commercialised communication is the design of pictures in the form of forgetting-intensive seriality, not evaluative remembering which would require a disruption in the information-continuum.
Susannce Nahrath purposely brings about this disruption. By displaying within digital frame pictures, family portraits, private photographs which do not present any form of continuum but chasms, caesuras, cuts, that juxtapose the flow of events with folds, highs, lows, and strata. That form possibilities for postponement, resonance, recapitulation, ‘rejoinment’, renewal, and memory. …”
Born in Ahlen, she first successfully completed her architectural studies and opened an architect’s office, before studying Liberal Arts at the Kunstakademie Duesseldorf under the tutelage of Magdalena Jetelova between 2001 and 2004. She unambiguously positioned herself during the debate on the preservation of the building stock of former stamp- and enamelling works that went on in Ahlen at the time.
The company grounds of the Company Nahrath, which no longer produces and today is one of those lost areas which not only forfeit their function but also their significance, is part of a widely known industrial culture. History did not go on here, but was more or less abruptly cut off. This “broken off” history manifests itself in the ruins and relicts that set themselves apart as alien remnants from their surroundings. Discontinuation is frozen in remainders and stands in no relation to the present public life. This public life not only moved on, but also over these remnants more or less heedlessly. To nevertheless be able to persist and live one, a story must be told which can supplement and replenish what has been lost. And his is the story told by Susanne Nahrath. A story told in the language of her art in which the traces, relicts, and sediments of times past – which are physically still present, but are (temporarily) without meaning or significance, invisible – are resurrected in imagination. Here, in this exhibition, taking the form of the installation “sie steht” (“it stands”) – a kind of “remembrance wall” made from self-made from Plexiglas stones akin to large Lego blocks-xxThanks to this installation, it still stands.
Stones as reference to the fragments of the past, to be reassembled, but in their transparency also a pointer to the depth and experience of background, sedimentation, and stratification of consciousness. This stratification additionally asserts the importance of the debris of culture and the detritus of history for art – that “silverware” that is flogged at the very end.
Structure and consistency of memory are essentially defined by the materiality of the mnemonic media. Writing was for a long time regarded as the primary medium with which to preserve the past both cross-temporally and cross-spatially without loss. And Susanne Nahrath, too, conserves in Writing: in two Plexiglas boxes in form of looped neon light lines original signatures of two deceased. These signatures not only are proof of their existence, but our signature is also a badge of our “I”. Not totally resistant to forgery, of course, but we affirm with our signature that we were there, that we have existed in this world, even when one day we shall be relegated to the past. Remembrance cannot be detached from forgetting, disappearing. This consistent link between remembrance and forgetting is shown in the piece “Stuhltanz”. Five and a half chairs are stood on a plateau. Insinuated is the game “musical chairs”: we run in circles in the hope of fetching one of the vacant chairs, a place in our lives, before the chair or respectively ourselves and the memories of us fade away. The half-torso standing of to the side symbolically captures these memories. The light underscores the Gestus of movement, the volatilisation, the ephemeral. How long will memory prevail in this world of always increasing diffusion, spinning ever faster around the circle of chairs? No memory can prevail against the electronic media and their diffusive powers. The picture cascades of the audio-visual media hardly require active remembering. Part of the memory policy of commercialised communication is the design of pictures in the form of forgetting-intensive seriality, not evaluative remembering which would require a disruption in the information-continuum.
Susannce Nahrath purposely brings about this disruption. By displaying within digital frame pictures, family portraits, private photographs which do not present any form of continuum but chasms, caesuras, cuts, that juxtapose the flow of events with folds, highs, lows, and strata. That form possibilities for postponement, resonance, recapitulation, ‘rejoinment’, renewal, and memory. …”
"Wo Carry nicht shoppt", Der Patriot Lippstädter Zeitung 26.11.2010

41 Künstler beteiligen sich an der 58. Jahresverkaufsaus-stellung des Kreiskunstvereins Beckum-Warendorf im Museum Abtei Liesborn
LIESBORN - Eigentlich ist die „Birkin Bag“ ja wieder total en vogue. 1986 für die Schauspielerin und Sängerin Jane Birkin entworfen, erlebte die stylische Handtasche durch „Sex and the City“ eine ungeahnte Renaissance. Doch ob Carrie und Co. dieses spezielle Exemplar durch die Gegend schaukeln würden, ist fraglich. Zu irritierend ist der kleine Bildschirm an der Seite, dessen eigentümliche Schwarzweiß-Präsentation — Bilder abgerissener Häuser im Wechsel mit idyllischen Familienfotos — im krassen Gegensatz zur knalligen Farbigkeit des modischen Accessoires steht.
„My Birkin Bag“ von Susanne Nahrath gehört zu den interessantesten Exponaten der 58. Jahresverkaufsausstellung des Kreiskunstvereins Beckum-Warendorf, die am morgigen Sonntag im Museum Abtei Liesborn eröffnet wird. 41 Künstlerinnen und Künstler beteiligen sich mit 82 Arbeiten an der Schau. Wie immer gibt es ein breites Spektrum an Themen, Motiven und Techniken. Die Bandbreite der künstlerischen Ausdrucksformen reicht von Malerei, Zeichnung und Druckgrafik über Skulpturen bis zur Fotografie und Fotomontage. Mit der „Birkin Bag“ ist — anders als in den Vorjahren — diesmal auch die Medienkunst vertreten.
Auch hinsichtlich der künstlerischen Positionen könnte der Unterschied kaum größer sein. Abstrakte Arbeiten von Christiane Laun oder Rolf Michael Jancak stehen neben dem frappierenden Hyperrealismus des Ölgemäldes „Münster“ von Theora Krummel, das die Überreste des abgerissenen alten Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte zeigt. Die Verspieltheit der großformatigen Zeichnung „Reiseerzählungen“ von Jochen Kublik, in denen sich Figuren, Tiere und Fahrzeuge aus einem Kinderbuch des Fin de siècle selbstständig machen, steht in deutlichem Kontrast zu den in strengem Schwarzweiß gehaltenen, atmosphärisch dichten Waldbildern von Martina Lückener. Die ornamentalen Fotocollagen von Jupp Ernst finden sich ebenso in der Schau wie die zeichenhaften Wandobjekte von Maria Langenstroth oder die filigrane Metalskulptur „Beflügelt“ von A. Richard Cox.
Einen roten Faden sucht man also vergeblich, und das ist durchaus gewollt „Der Kunstverein ist keine Kunstschule“, sagt Museumsleiter Dr. Bennie Priddy. „Seine Aufgabe ist es, die Künstler so zu fördern, wie sie sind. Die Vielfalt macht es lebendig.“ Was die Exponate dennoch miteinander verbindet, ist das durchweg hohe Niveau. Nur die Hälfte der von den 53 Bewerbern eingereichten 165 Arbeiten wurden von der fünfköpfigen Jury unter Vorsitz von Bennie Priddy akzeptiert. Auch hinsichtlich der Formate gibt es eine gewisse Angleichung. Die Geschäftsführerin des Kreiskunstvereins, Dr. Andrea Brockmann, hat einen deutlichen Trend „zur kleinen Form sowohl in der Malerei als auch in der Bildhauerei“ festgestellt.
Möglicherweise eine Reaktion auf die Kaufzurückhaltung, die der Kreiskunstverein in den vergangenen beiden Jahren registriert hat. „Es wird sich zeigen, ob die in den Zeitungen angekündigte Kauffreude auch auf die Kunst überschwappt“, meint Museumsleiter Priddy. - bal
LIESBORN - Eigentlich ist die „Birkin Bag“ ja wieder total en vogue. 1986 für die Schauspielerin und Sängerin Jane Birkin entworfen, erlebte die stylische Handtasche durch „Sex and the City“ eine ungeahnte Renaissance. Doch ob Carrie und Co. dieses spezielle Exemplar durch die Gegend schaukeln würden, ist fraglich. Zu irritierend ist der kleine Bildschirm an der Seite, dessen eigentümliche Schwarzweiß-Präsentation — Bilder abgerissener Häuser im Wechsel mit idyllischen Familienfotos — im krassen Gegensatz zur knalligen Farbigkeit des modischen Accessoires steht.
„My Birkin Bag“ von Susanne Nahrath gehört zu den interessantesten Exponaten der 58. Jahresverkaufsausstellung des Kreiskunstvereins Beckum-Warendorf, die am morgigen Sonntag im Museum Abtei Liesborn eröffnet wird. 41 Künstlerinnen und Künstler beteiligen sich mit 82 Arbeiten an der Schau. Wie immer gibt es ein breites Spektrum an Themen, Motiven und Techniken. Die Bandbreite der künstlerischen Ausdrucksformen reicht von Malerei, Zeichnung und Druckgrafik über Skulpturen bis zur Fotografie und Fotomontage. Mit der „Birkin Bag“ ist — anders als in den Vorjahren — diesmal auch die Medienkunst vertreten.
Auch hinsichtlich der künstlerischen Positionen könnte der Unterschied kaum größer sein. Abstrakte Arbeiten von Christiane Laun oder Rolf Michael Jancak stehen neben dem frappierenden Hyperrealismus des Ölgemäldes „Münster“ von Theora Krummel, das die Überreste des abgerissenen alten Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte zeigt. Die Verspieltheit der großformatigen Zeichnung „Reiseerzählungen“ von Jochen Kublik, in denen sich Figuren, Tiere und Fahrzeuge aus einem Kinderbuch des Fin de siècle selbstständig machen, steht in deutlichem Kontrast zu den in strengem Schwarzweiß gehaltenen, atmosphärisch dichten Waldbildern von Martina Lückener. Die ornamentalen Fotocollagen von Jupp Ernst finden sich ebenso in der Schau wie die zeichenhaften Wandobjekte von Maria Langenstroth oder die filigrane Metalskulptur „Beflügelt“ von A. Richard Cox.
Einen roten Faden sucht man also vergeblich, und das ist durchaus gewollt „Der Kunstverein ist keine Kunstschule“, sagt Museumsleiter Dr. Bennie Priddy. „Seine Aufgabe ist es, die Künstler so zu fördern, wie sie sind. Die Vielfalt macht es lebendig.“ Was die Exponate dennoch miteinander verbindet, ist das durchweg hohe Niveau. Nur die Hälfte der von den 53 Bewerbern eingereichten 165 Arbeiten wurden von der fünfköpfigen Jury unter Vorsitz von Bennie Priddy akzeptiert. Auch hinsichtlich der Formate gibt es eine gewisse Angleichung. Die Geschäftsführerin des Kreiskunstvereins, Dr. Andrea Brockmann, hat einen deutlichen Trend „zur kleinen Form sowohl in der Malerei als auch in der Bildhauerei“ festgestellt.
Möglicherweise eine Reaktion auf die Kaufzurückhaltung, die der Kreiskunstverein in den vergangenen beiden Jahren registriert hat. „Es wird sich zeigen, ob die in den Zeitungen angekündigte Kauffreude auch auf die Kunst überschwappt“, meint Museumsleiter Priddy. - bal