Auszüge aus der Rede von Frau Dr. Andrea Fink anlässlich der Ausstellungseröffnung „ analogien“ im Museum Abtei Liesborn am 13.September 2015
Die Hauptarbeit der Ausstellung „analogien“ von Susanne Nahrath ist die Installation „wintergarden by the lake- montgomery for one night“. Sie lädt uns dazu ein, selbst Teil des Kunstwerkes zu werden. Die Besucher und Besucherinnen sind eingeladen sich auf den Jens RisomSesselzu setzen und aus dem Fenster der architektonischen Andeutung zu schauen. Betrachterinnen und Betrachter sind Teil des Kunstwerks. Das Thema von Innen- und Außenraumdie Unterscheidung und gleichzeitig die Aufhebung dieser Unterscheidung stehen im Mittelpunkt dieser Arbeit. Somit gilt das hauptsächliche künstlerische Interesse der Künstlerin und Architektin Susanne Nahrath der vielschichtigen Beziehung zwischen Innen- und Außenraum.
Einerseits wird diese Aufhebung durch die gläsernen Steine thematisiert. Zudem installiert die Künstlerin in den Ausblick der Architekturandeutung Fotografien, die ebenfalls Innen- und Außenraumsichten zum Thema haben. Hier eröffnet sich der hochspannende Prozess der eigenen Wahrnehmung. Dieser ist gleichermaßen vom eigenen realen Standpunkt als auch von der inneren Einstellung abhängig.
Sehr bewusst regt uns die Künstlerin mit ihren Fotografien zur Reflektion über unseren eigenen Standpunkt an: ist die Blickrichtung nach Außen gerichtet, schauen wir in eine Landschaft oder schauen wir in einen Innenraum.
Unsere Blickrichtung bedingt, wie wir die Welt wahrnehmen. Unser eigener Standpunkt ist Ausgangspunkt für die Wahrnehmung der Welt. Umso wichtiger ist es somit, diesen, den eigenen, Standpunkt bewusst wahrzunehmen und ihn dann in der Folge auch einzunehmen oder vielleicht, noch interessanter, ihn von Zeit zu Zeit auch einmal zu verändern.
In der Kunst von Susanne Nahrath wird der Mensch thematisiert, wird sichtbar. Diese Menschen sind manchmal in ganz persönlicher Form gegenwärtig durch ihre Unterschrift, wie beispielsweise in dem Werk „Schneewittchen“ aus dem Jahr 2008. Öfter auch durch ihr Abbild, wie in der Fotoarbeit „zu einem Streit gehören immer Zwei! Dein Bruder Carl-Hienz“,aus dem Jahr 2002, in der zwei schlafende Freunde der Künstlerin zu sehen sind. Manchmal geht es um eher flüchtige Begegnungen von Menschen, die die Künstlerin vielleicht gar nicht persönlich gekannt hat,Reisefotos, anonym gebliebene Menschen. Daneben existieren Familienfotos.All diese Fotos erzählen Geschichten. Die Fotoarbeiten von Suanne Nahrath sind Stellungnahmen über die Geschichten der Menschen, die dort in Form von Momentaufnahmen über ihr Leben Auskunft geben. Manchmal berühren sie uns so sehr, da sie mit ihrer Geschichte auch einen Teil unserer eigenen Geschichte erzählen. Manchmal spiegeln uns diese Fotoarbeiten aber auch etwas ganz Fremdes und laden damit zu Umdenken ein, zum Wechsel der eigenen Position, des eigenen Standpunktes.
Meist sind es Momentaufnahmen, kurze Begegnungen, die die Künstlerin in ihren Fotoarbeiten festhält. Es sind , ähnlich den Durchblicken aus dem Fenster in der angedeuteten Architektur, Ausschnitte des Lebens. Auch in den Fotoarbeiten geht es lediglich um einen Ausschnitt des Lebens. Zahlreiche Werke Susanne Nahraths zeigen Momentaufnahmen des Lebens – nur, Ausschnitte, Einblicke, Durchblicke gilt es zu erhaschen - Ausschnitte aus dem Leben, ein Ausschnitt des Lebens, eine Möglichkeit des Lebens wird dargestellt. Vielleicht unterlegt mit der Musik von James Taylor.
Neben der Architektur und der Fotografie spielt auch das Medium Schrift eine wichtige Rolle. In der Arbeit „Heimat“ zeigt Susanne Nahrath eine Flugzeugbox, aus deren Hülle das Wort „Heimat“ in die in verschiedenen Sprachen herausgeflext wurde. Eine Arbeit, die momentan kaum aktueller seien könnte.Zehntausende Menschen verlassen ihre Heimat ohne zu wissen, ob und wo sie ankommen, ob und wo sie eine neue Heimat finden.
Schriftzüge verweisen aber nicht nur auf Aktuelles, sondern vielmehr auf Vergangenes, auf Geschichte, auf Geschichten. So erinnert die Arbeit „in Osten sind die Wolken von gelber Farbe“ an die grauenhafte nukleare Katastrophe in Fukushima. Geschichtliches und immer wieder Aktuelles thematisiert die Installation „Tafelsilber“ aus dem Jahr 2008. Hier berührt die Künstlerin gesellschaftskritische Aspekte. Diese gesellschafts-kritischen Töne werden hier aber mitnichten einfach nur platt ausgesagt, wie dies in den Nachrichten als lineare Information funktioniert. Vielmehr entwickelt und verarbeitet die Künstlerin die Information in eine, konzeptionell künstlerischen Form.
Vor dieser gilt es dann in der Rezeption ebenso Stellung zu beziehen, wie dies die Künstlerin dies bereits in ihrer konzeptuellen Vorarbeit geleistet hat. In der Betrachtung dieser Kunst sind Betrachterinnen und Betrachter dazu aufgerufen, eine eigene Beziehung einzunehmen, eine die sich jenseits des Nachrichtengeschehens im Fernsehen, auf Facebook oder Twitter zu positionieren wagt. In dieser Kunst bietet sich ein Freiraum der selbstständigen Beschäftigung mit unterschiedlichsten Themen.
Wichtig erscheint mir, dass die Künstlerin genau das Beziehen des eigenen Standpunktes, das Reflektieren über den eigenen Standpunkt zumThema ihrer künstlerischen Auseinandersetzung erkoren hat.